IFEM-Programmanalyse dokumentiert Entwicklung des deutschen Fernsehangebots zwischen 2001 und 2011

Das Fernsehangebot im letzten Jahrzehnt: Reality-TV ersetzt bei Privaten die Talkformate, Öffentlich-rechtliche verstärken die Politikberichterstattung

Frankfurt, 16. November 2012

Reality-TV-Formate haben das privatrechtliche Fernsehangebot im letzten Jahrzehnt am deutlichsten verändert. Machte dieses Genre im Jahr 2001 nur 2 Prozent des Angebots von RTL, Sat.1 und ProSieben aus, sind es zulasten vor allem von Talkshows nunmehr fast 20 Prozent ihrer Sendezeit. Die Angebotsstrukturen der öffentlich-rechtlichen Sender sind nahezu unverändert geblieben und unterscheiden sich mit einem hohen Informationsanteil weiterhin deutlich von den privaten Programmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Bilanz der regelmäßig vom Institut IFEM, Köln, erstellten Programmanalysen für die Jahre 2001 bis 2011. Die Programmanalyse wird seit 1985 im Auftrag der ARD/ZDF-Medienkommission durchgeführt, sie dokumentiert auf einzigartige Weise die Entwicklung des Fernsehangebots, von der Einführung des privaten Rundfunks und der Ausgestaltung des dualen Systems bis hinein in das Internetzeitalter mit seinen neuen Herausforderungen an die etablierten Fernsehkanäle.

Bei der Auswertung der Programmstrukturen zeigt sich erneut: Die Sendezeit des Ersten und des ZDF ist von Information und aktueller Berichterstattung geprägt. Mit geringen Schwankungen betrug in den vergangenen elf Jahren der Anteil von Informationssendungen in beiden Programmen jeweils zwischen 40 und 50 Prozent, bei RTL und Sat.1 lag er bei rund einem Fünftel der Sendezeit, bei ProSieben ist er inzwischen auf etwa 10 Prozent gesunken. Auffällig ist das starke Gewicht nonfiktionaler Unterhaltung bei Sat.1 (rund 30 %) und besonders bei RTL, wo sie im Jahr 2011 mit 35 Prozent die umfangreichste Sparte im Programm war. ProSieben hat dagegen seit einigen Jahren sein Fictionangebot (Serien und Spielfilme) erheblich ausgebaut, dieser Bereich nimmt inzwischen die Hälfte des Programms ein.

Im Gegensatz zu den anderen Sendern verloren bei ProSieben die Magazine als Sendeform an Bedeutung; Sat.1 reduzierte seit 2007 sein Nachrichtenangebot. Beim Ersten Programm und beim ZDF spielten Dokumentation und Reportagen mit einem Anteil von durchschnittlich 10 Prozent eine erheblich größere Rolle als bei den Privaten (ca. 2 %).

Die spezielle Inhaltsanalyse der nonfiktionalen Programmangebote in der nutzungsstärksten Tageszeit zwischen 17.00 und 1.00 Uhr zeigt bei ARD und ZDF vor allem einen Trend zur Ausweitung der gesellschaftlich relevanten Themen: Die Thematisierung von „Politik im weiteren Sinn“ (Politik, Wirtschaft, Gesellschaft/Justiz und Zeitgeschichte) nahm seit 2004 beständig mehr Raum ein. Bei den Privatsendern RTL und Sat.1 wurden dagegen Themen aus dem Bereich Alltag, Beziehung und Freizeit stärker berücksichtigt. Hierzu trugen vor allem das gewachsene Angebot an Realityformaten und Doku-Soaps bei.

Im journalistischen Kernbereich der Fernsehnachrichten wurden ebenfalls deutlich unterscheidbare Profile ermittelt: Während bei ARD und ZDF politische Themen den mit Abstand größten Teil an allen Meldungen ausmachen, bekommen bei RTL und Sat.1 Themen aus den Bereichen Human Interest, Alltag, Kriminalität und Katastrophen erheblich mehr Gewicht. Erkennbar wird anhand der Informationsanlässe außerdem, dass die Nachrichtensendungen im Ersten und im ZDF auch den Entstehungs- und Entwicklungsprozess politischer Entscheidungen (z.B. Konferenzen, Parlamentsdebatten) stärker begleiten, während sich die Berichterstattung der Privatnachrichten auf die Ergebnisse dieser Prozesse beschränkt.

Insgesamt zeigten sich 2001 bis 2011 trotz einzelner paralleler Entwicklungen in Programmbereichen oder Sendungsformen weitgehend stabile Unterschiede zwischen den Programmprofilen der öffentlich-rechtlichen und der privaten Sender. Die auf transparenten wissenschaftlichen Kriterien basierende Programmanalyse im Auftrag der ARD/ZDF-Medienkommission leistet mit ihrer langfristigen Beobachtung der Programmtrends einen wertvollen Beitrag für die medienpolitische Debatte.

Die Ergebnisse der Programmanalyse 2001 bis 2011 werden in einem Themenheft der „Media Perspektiven“ (Ausgabe 10/2012) veröffentlicht.


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